Gürtel im BJJ — Meine Meinung zu ihrem Stellenwert

Nachdem ich länger keinen Blogartikel mehr veröffentlicht habe und gerade verletzungsbedingt etwas Zeit an der Hand habe, wollte ich meine Ansichten zur Bedeutung der Gürtel im BJJ auf virtuelles Papier bringen.

Gürtel und vor allem ihre Farbe sind in fast allen, vor allem traditionellen, Kampfsportarten ein wichtiges Thema und ein vermeintlich simpler, visueller Indikator für die Kompetenz eines Sportlers — so auch im BJJ. Dies ist gesellschaftlich so anerkannt und verbreitet, dass selbst Menschen ohne jeglichen Bezug zum Kampfsport zwei Dinge zuverlässig einordnen können: Ein Weißgurt wird von Anfängern getragen und ein Schwarzgurt zeichnet hohe Kompetenz aus.

So weit, so gut. Nun gibt es allerdings sowohl im Kampfsport generell als auch im BJJ konkret einige Umstände, durch welche das Thema an Komplexität gewinnt. Im Folgenden möchte ich auf einige dieser Problematiken eingehen, im Anschluss daran aber vor allem beschreiben, was die Gürtel für uns bei Apis bedeuten oder eben auch nicht.

Sicherlich eine der verbreitetsten Problematiken ist der inflationäre Gebrauch von Gürtelgraduierungen, welcher in vielen Kampfsportarten durch die Existenz unzähliger Gürtelgrade zu erkennen ist. Nicht selten gibt es zwischen Weiß und Schwarz knapp ein Dutzend weitere Gürtelfarben und auch über den Schwarzgurt hinaus häufig noch viele, oft eher sinnbefreite Graduierungen. Doch auch BJJ mit seinen insgesamt 5 Gürtelfarben ist vor dieser Problematik nicht gefeit, gibt es doch die Möglichkeit, durch bis zu 4 Streifen pro Gurt weitere Abstufungen zu schaffen. Zum Problem wird dies immer dann, wenn jede dieser Graduierungen mit einer vordefinierten Prüfung verbunden ist. Damit sollen Sportlern vor allem regelmäßige Erfolgserlebnisse geboten werden mit dem Ziel, diese als zahlende Mitglieder zu behalten. Zudem bietet es die Möglichkeit, je nach Modus operandi im jeweiligen Gym, zusätzliche Einnahmen durch kostenpflichtige Gürtelprüfungen, Prüfungsseminare oder dergleichen zu generieren. Mein konkretes Problem mit diesem Ansatz besteht vor allem darin, dass die Wertigkeit der Graduierung den wirtschaftlichen Interessen des prüfenden Organs zum Opfer fällt. Um diesen Standpunkt zu untermauern, wünsche ich mir eine Statistik, wie viele Teilnehmer solcher häufig bezahlter Lehrgänge diese bestehen oder nicht. Ich wette, die Quote der nicht bestandenen tendiert gegen Null.

Eine weitere Problematik findet sich in Zugeständnissen bezüglich Attitüde, Verhaltensweisen und Sonderrechten, welche höher Graduierte in vielen Gyms auf und neben der Matte genießen und leider auch häufig missbrauchen. Dies beginnt vermeintlich harmlos mit generischen Titel und geht über das grundlose zur Schau Stellen der eigenen Überlegenheit während des Trainings bis hin zu Verhaltensweisen auf und neben der Matte welche schlicht als Mobbing zu bezeichnen sind. Versteht mich nicht falsch, in einem authentischen und häufig kompetitiven Sport wie BJJ wird es immer Runden geben in welchen 2 Sportler ähnlichen Niveaus mit vollem Einsatz ihre Kräfte messen und auch das Einordnen unkontrollierter oder übereifriger Anfänger welche eine Gefahr für die Sicherheit der Trainingsgruppe darstellen durch einen fortgeschritteneren Trainingspartner hat meiner Meinung nach durchaus seine Berechtigung. Voraussetzung ist, dass der fortgeschrittene Trainingspartner zu jedem Zeitpunkt die Kontrolle behält und im Anschluss kommuniziert, was der Grund für die erhöhte Intensität war. Mutwilliges Schikanieren unterlegener Trainingspartner zum Befeuern des eigenen Egos sowie jedwedes Verhalten, welches eine erhöhte Verletzungsgefahr billigend in Kauf nimmt oder Trainingspartner gar bewusst verletzt, ist allerdings zu keinem Zeitpunkt akzeptabel.

Darüber hinaus gibt es sicherlich noch weitere Problematiken in Verbindung mit den Gürtelgraden, ich wolte diese beiden jedoch besonders hervorheben, da sie zum einen die legitimation der Graduierungen und des Sports als solches in Frage stellen und zum anderen die Gewährleistung eines sicheren Trainingsumfelds gefährden. Zwei Dinge, die wir bei Apis in sehr hohem Maße schätzen.

Nun aber genug der Kritik. Bei Apis zeugt eine Graduierung unabhängig von ihrem exakten Grad immer von einem Gewissen Niveau in folgenden Bereichen:

Sportliche Kompetenz: Ein Sportler mit höherer Graduierung muss im Training oder auch Turnieren zeigen, dass er Konzepte und Techniken des BJJ verinnerlicht hat und muss in der Lage sein, diese auch gegen Widerstand sinnvoll einzusetzen.

Vorbildfunktion: Von höher graduierten Sportlern wird bei Apis eine gewisse Vorbildfunktion erwartet. Das beginnt dabei ein guter Trainingspartner zu sein, in Trainingsszenarien ein adäquates Maß an Widerstand zu finden, saubere Ausrüstung zu tragen und geht hin zu vorbildlichen Verhalten unabhängig davon wer das Training anleitet oder wie das Training läuft. Es gibt für mich wenig traurigere Anblicke als höher Graduierte oder gar Schwarzgurte welche die Kontrolle verlieren oder mental einknicken, sei es weil etwas nicht klappt wie erwartet, jemand anderes einen besonders guten Tag hat, oder sie schlicht ihr Ego nicht im Griff haben. Zudem zeugt solch ein Verhalten eigentlich immer von der eigenen Unsicherheit

Abgesehen von diesen beiden Punkten gibt es auch eine Liste von Dingen, zu welchen ein Gurt, und sei es ein Schwarzgurt, explizit nicht berechtigt:

Ein höherer Gürtel hat nicht das Recht, niedriger Graduierte Trainingspartner zum Rollen zu zwingen — Jeder darf jeden um eine Runde bitten, ebenso hat jeder das Recht abzulehnen.

Ein höherer Gürtel hat nicht das Recht, eine Trainingseinheit zu übernehmen, sollte der anleitende Trainer niedriger graduiert sein.

Ein höherer Gürtel berechtigt in keinem Fall zu toxischem Verhalten auf oder neben der Matte.

Generell ist es mir wichtig, ein Verständnis dafür zu schaffen, dass auch Schwarzgurte keine unfehlbaren Helden sind und vor allem, dass die Graduierung vor allem auch abseits der Matte keinen Sonderstatus mit sich bringt. Abschließend daher ein Zitat des Judokas Shintaro Higashi, welches eben dies auf den Punkt bringt.

“The deified instructor or the champion — they are only people, and they make mistakes. Do not worship the judo leaders. They stub their toe on the feet of couches and step on their kids’ Legos just like you and me. Take the best parts of them. […] Do not follow them blindly just because they have a skill. Just because they are good at one thing does not make them worthy of our trust. Just because they are good at something does not mean they should be our role models. Actors are to be looked up to for their acting skills; sports players for their athleticism; entrepreneurs for their business acumen. None should be deified or given credit for more than who they are.” Shintaro Higashi — The Dojo Guide